Ein kleine Reise in die Vergangenheit oder Valentinstag

Früher stand ich dem Valentinstag immer ein wenig skeptisch gegenüber. Klar, finde ich die Idee ein Fest der Liebenden zu feiern hübsch. Natürlich nur solange man einen entsprechenden Partner hat. Andernfalls ist es eine ziemlich deprimierende Angelegenheit, wenn man mal wieder daran erinnert wird, dass man alleine ist, während sich der gefühlte Rest der Welt in den Armen liegt.
Seit ich mit meinem Mann zusammen bin, haben wir, bis auf unser erstes gemeinsames Jahr, den Valentinstag nicht wirklich gefeiert. Ich möchte keine überteuerten Blumen und kein kitschiges Geschenk, weil es der Kalender diktiert. Meistens sind wir nett essen gegangen oder haben es uns zu Hause besonders gemütlich gemacht.

Als ich dann anfing "Einsatzort Vergangenheit" zu schreiben und dort eine Szene drin vorkommt, die am Valentinstag spielt, habe ich mich näher mit der Geschichte dieses Tags beschäftigt. Dass es sich dabei nicht nur um eine reine Erfindung von Blumenhändlern handelte, wusste ich schon zuvor. Was mir aber nicht bewusst gewesen ist, war die Tatsache, welche Bedeutung der Valentinstag in England hat. Er wurde durch Geoffrey Chaucer  populär gemacht und durch Heinrich VIII im Jahr 1537 zum offiziellen Feiertag erklärt. Schon damals machten sie die Liebende kleine Geschenke und schrieben sich Briefe. Der Gedanke, dass es diese Tradition schon seit Hunderten von Jahren gibt, hat mich den Valentinstag mit anderen Augen sehen lassen. Ich finde es schön, dass es dieses Fest gibt. Auch wenn ich meinem Mann noch immer keine teuren Geschenke mache, ihm einmal mehr sagen, dass ich ihn liebe und einen schönen Abend mit ihm zu verbringen, kann ich allemal. Liebe ist etwas Kostbares und genauso sollte sie behandelt werden. Vielleicht sollte das ganze Jahr über Valentinstag sein, damit wir das alle nicht vergessen :-)

Zum Abschluss noch einen Teil der Szene aus "Einsatzort Vergangenheit", die am Valentinstag spielt. Viel Spaß damit!

"Der nächste Morgen war ein klarer, kalter Wintertag. Die Sonne schien und wir schrieben den 14. Februar 1584 oder anders ausgedrückt: Es war Valentinstag. Mir war zwar bewusst gewesen, dass der Valentinstag keine Erfindung der Blumenhändler war, dennoch war ich überrascht herauszufinden, dass der Valentinstag im elisabethanischen England ein wahrer Feiertag war. So wusste Meg an diesem Morgen über nichts anderes mehr zu reden als über ihren Zukünftigen.
„Heute Nacht träumte ich, dass ich mit Billy Matthews, dem Sohn des Bäckers, getanzt habe. Jedoch der erste Mann, der mir heute außerhalb des Hauses begegnet ist, war John Ducker, der Schuhmacher. Wer wird denn nun mein Ehemann?“ Sie seufzte, während sie meine Haare zu einer komplizierten Frisur hochsteckte. Was war das denn nur wieder für eine Logik? Manchmal fiel es mir doch recht schwer, ihrem Geplapper zu folgen, und dieser Morgen stellte keine Ausnahme dar.
„Meg, du vergisst, dass ich aus den Niederlanden komme. Was hat das alles mit deinem zukünftigen Mann zu tun?“, fragte ich sie, da ich zwar ihre Worte, nicht aber deren Sinn verstand. Sie schaute mich ungläubig an, als hätte ich ihr erzählt, dass die Königin doch noch heiraten werde.
„Oh my Lady, ihr feiert keinen Valentinstag in Eurer Heimat, welch ein Jammer. Ich will es Euch erklären: Ich habe gestern, bevor ich zu Bett ging, Hanfsamen unter mein Kopfkissen gelegt, denn die Träume, die man in der Nacht vor dem Valentinstag hat, sagen einem, wer der Zukünftige wird. Allerdings ist es auch so, dass derjenige Mann, dem man am Valentinstag als Erstes außerhalb des Hauses begegnet, derjenige ist, den man heiratet! Und jetzt weiß ich immer noch nicht, wen ich zum Gatten bekomme!“ Ihre verzweifelte Ausführung ließ mich lächeln, sie hielt diesen Aberglauben wirklich für bare Münze.
„Im Gasthaus meines Vaters ist heute eine Wahrsagerin, vielleicht weiß die eine Antwort“, fuhr sie gleich fort. Wahrscheinlich nannte diese ihr noch einen dritten Mann und dann wäre das Chaos perfekt. In meinen Augen war eine Vierzehnjährige sowieso noch zu jung für die Ehe, aber hier war es anders. Immer wieder musste ich mir ins Gedächtnis rufen, dass man mit über sechzig als steinalt galt. Man musste schon früh den Bund der Ehe eingehen, um die Nachkommenschaft zu sichern. Auch ich zählte in dieser Zeit nicht mehr zu den Allerjüngsten, aber doch noch nicht ganz zum alten Eisen, wie ich festgestellt hatte.
„Und welcher der Herren wäre dir lieber?“ Ich konnte nicht anders, ich musste sie einfach auf den Arm nehmen. Außerdem konnte ich es ihrer Nasenspitze ansehen, dass sie nur so darauf brannte, darüber zu reden.
„Billy gefällt mir am besten, denn er ist noch jung und er küsst gut! Für ihn habe ich auch ein Geschenk besorgt!“ Ihr Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an, als sie sich an die Küsse ihres Billys erinnerte. Geschenke? In meinem Kopf klingelten sämtliche Alarmglocken. Was, wenn Raleigh mir ein Geschenk machte und ich nichts für ihn hatte? Immerhin konnte man ihn so etwas wie meinen Galan nennen und anscheinend war es auch zu dieser Zeit üblich, dass man dem Liebsten ein kleines Geschenk machte, um seine Zuneigung zu zeigen. Ich konnte doch schlecht mit leeren Händen dastehen. Ein unverzüglicher Besuch an der Royal Exchange war wohl der beste Ausweg aus meiner Misere. Da ich ihr den Rest des Tages frei versprach, wenn sie mich nur zügig fertigmachte, arbeitete Meg noch einmal so schnell und zauberte mir eine wunderschöne Hochsteckfrisur.

Kaum war ich komplett angekleidet und frisiert, machte ich mich auf die Suche nach Phil, damit er mich zur Börse begleiten konnte. Die Ereignisse des Vorabends waren noch zu frisch, als dass ich mich gewagt hätte, das Haus ohne Begleitung zu verlassen. Im Haus konnte ich ihn allerdings nicht entdecken und so ging ich nach draußen, wo er im Hof stand und gerade dabei war, sein Pferd zu besteigen.
„Halt, warte!“, rief ich und eilte auf ihn zu. Er hielt inne und wartete, bis ich bei ihm angekommen war.
„Wie wäre es mit einem Guten Morgen?“, fragte er fröhlich. Er schien an diesem Morgen besonders guter Laune zu sein. Nichts an ihm wies darauf hin, dass er noch unter den Nachwirkungen des vorherigen Abends stand.
„Guten Morgen! Wo willst du denn hin?“, testete ich vorsichtig an.
„Einfach nur einen Ausritt machen, warum? Möchtest du mich begleiten?“
„Könnten wir den Ausflug vielleicht mit einem winzig kleinen Umweg zur Royal Exchange machen?“
„Und was willst du da kaufen? Was ist so wichtig, dass es jetzt sein muss?“ Er sah nicht so aus, als wäre es sein Herzenswunsch, mit mir einkaufen zu gehen. Da musste ich wohl noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten.
„Heute ist Valentinstag und ich habe kein Geschenk für Raleigh! Was aber mache ich, wenn er was für mich hat? Diese Blöße will ich mir nicht geben. Würdest du mich also bitte, bitte begleiten? Wir sind auch ganz schnell fertig, versprochen!“ Mein Augenaufschlag hätte einem Beagle zur Ehre gereicht. Bittender konnte man nicht schauen.
„Und wenn er kein Geschenk für dich hat, was dann?“ Phil schien noch nicht ganz überzeugt von meiner Idee zu sein.
„Dann bekommst du es!“
„War schon immer mein innigster Wunsch, deinen Lückenfüller zu spielen!“, erwiderte er eingeschnappt.
„Jetzt spiel nicht die beleidigte Leberwurst und komm schon!“
„Gut, du Landplage, aber nur das Geschenk für Raleigh und dann gehen wir wieder!“, willigte er dann doch, wenn auch widerwillig, ein. Vermutlich hatte er keine Lust auf eine längere Diskussion mit mir, er konnte sich denken, dass er da den Kürzeren zog.
Schnell ließ er auch noch Fee satteln und wir machten uns auf den Weg zur Royal Exchange. Auch wenn ich bereits zum zweiten Male an diesen Ort kam, so beeindruckte mich die Atmosphäre doch wieder aufs Neue. Die mannigfachen Geschäfte, das Gewusel der vielen unterschiedlichen Menschen, die ihren Einkäufen nachgingen, die Atmosphäre, die hier herrschte, es war einfach großartig und einzigartig. Ich hätte hier Stunden verbringen können, wenn neben mir nicht Phil gestanden hätte, der mir mit seiner Leidensmiene klarmachte, dass er sich nicht länger als nötig in der Börse aufhalten wollte. Typisch Mann, kaum wollte Frau mal shoppen, reagierten sie völlig allergisch darauf! Nach einigem Suchen in den verschiedensten Geschäften wurde ich bei einem Juwelier fündig, wo ich einen Ohrring aus Rubinen für Raleigh erstand. Zuvor hatte ich mich noch bei Meg erkundigt, was ein angemessenes Geschenk sei. Auf alle Fälle wollte ich vermeiden, dass ich im Falle eines Falles ein zu geringes Geschenk hatte. Aus einem Impuls heraus kaufte ich auch für Phil etwas, eine Art Taschenuhr. Man durfte doch auch Freunden am Valentinstag Geschenke machen, rechtfertigte ich mich vor mir selbst, als ich dem Händler das Geld für die Uhr überreichte. Und die Idee, einem Zeitreisenden eine Uhr zu schenken, hatte für mich besonderen Reiz und Bedeutung. Ich nahm mir vor, ihm das Geschenk am Abend zu geben, wenn er schon nicht mehr damit rechnete. Die Vorfreude auf sein verdutztes Gesicht stimmte mich gleich noch fröhlicher."

(Einsatzort Vergangenheit - Ein Zeitreiseroman, Sandra Neumann)

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