Appetithäppchen
Heute habe ich die magische Grenze von 100.000 Worten des vierten Teils überschritten. Als ich vor drei Jahren anfing, den ersten Band von "Einsatzort Vergangenheit" zu schreiben, war die Vorstellung, dass ich überhaupt jemals mehr als 50.000 Worte schreiben könnte, unvorstellbar für mich. Inzwischen sind drei Jahre vergangen und ich habe in dieser Zeit über 400.000 Worte geschrieben. Darum gibt es heute zur Feier des Tages einen kleinen Ausschnitt aus Teil Vier. Natürlich wie immer in der Rohfassung und völlig unkorrigiert :-)
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
»Du bist selbstverständlich noch
nie von deinem Chef nach Feierabend angerufen worden, oder?«, fragte ich, wohl
wissend, dass das schon häufiger als ihr lieb war, vorgekommen war. Sie
verdrehte die Augen und sah mich finster an.
»Du weißt genauso gut wie ich, dass
der alte Lehmann andauernd anruft. Aber ich arbeite bei einer Werbeagentur, wo
so etwas häufiger vorkommt, als in einer Kostümwerkstatt.« Damit Tom Marie
nicht wegen sämtlicher Belange seiner Arbeit anlügen musste, hatte er ihr erklärt,
er sei in einem Unternehmen beschäftigt, das sich auf Produktionen historischer
Filme und Dokumentationen spezialisiert hatte und er der Leiter der
Requisitenabteilung war.
»Warum? Seit wann steht
geschrieben, dass Filme nur tagsüber gedreht werden dürfen? Stell dir vor, sie
sind gerade dabei eine Nachtszene zu drehen und sie stellen fest, dass die
Figur, die den alten Fritz darstellen sollte, sich die Hose zerrissen hat. Wen
sollen sie sonst anrufen, wenn nicht Tom?«, versuchte ich sie zu beruhigen. Der
Kellner näherte sich mit einer Vielzahl kleiner Tapasschälchen und bereitete
sich auf dem Tisch aus. Beim Anblick der vielen Teller wurde mir klar, dass
meine Augen wohl wieder einmal größer als mein Magen gewesen waren. Aber die
Auswahl der Tapas war riesig und sich auf nur auf ein oder zwei zu beschränken,
war nahezu ein Ding der Unmöglichkeit.Ich nahm den ersten Bissen meines
Hähnchens in Orangensoße und verdrehte glückselig die Augen. Auf solche
Köstlichkeiten hatte ich in den letzten Monaten viel zu oft verzichten müssen.
Marie nahm ebenfalls etwas von einem der Teller und kostete, bevor sie
weitersprach.
»Ich weiß, aber diese merkwürdigen
Anrufe häufen sich und was mich noch viel mehr aufregt, ist die Tatsache, dass
er jedes Mal den Raum verlässt, sobald sein Telefon klingelt. Das finde ich
einfach nicht normal.« Sie hatte sich richtig in Rage geredet und biss mit Wut
auf die arme Garnele, die sie auf ihre Gabel aufgespießt hatte. Sie musste mir nicht erzählen, dass
sich die Anrufe in letzter Zeit gehäuft hatten. Die Anzahl der Zeitreisen, die
ich in den letzten Tagen gemacht hatte, verrieten es mir auch so Wir mussten hier etwas verhindern, dort eine
Blockade lösen. Phil und ich hatten den Eindruck, dass Klaus uns nicht mehr zum
Verschnaufen kommen lassen wollte. Er plante etwas und das alles war nur sein
harmloses Vorspiel.
»Vertraust du Tom?«, fragte ich
vorsichtig. Marie schaute mich verständnislos an.
»Ich habe dir gerade erzählt, dass
ich sein Verhalten mehr als seltsam finde und du fragst mich, ob ich ihm
vertraue?«
»Gehen wir mal davon aus, dass er
einfach diese dämliche Angewohnheit hat, bei Telefonaten aus dem Raum zu gehen.
Gibt es sonst Hinweise darauf, dass er etwas zu verbergen hat?« Ich wusste,
dass ich mich auf gefährliches Terrain begab, aber manchmal war Angriff die
beste Verteidigung. Marie runzelte nachdenklich die Stirn und kaute
gedankenverloren auf einem Stück Entenbrust herum.
»Ich durfte ihn noch nie von der
Arbeit abholen. Im Grunde genommen könnte er sonst wo arbeiten, ich kann es
nicht überprüfen«, sagte sie schließlich.
»Wenn ich das also richtig sehe,
hast du nur ein Problem mit seiner Arbeit? Warum machst du dann so ein Theater
drum? Wäre er Chemiker und würde in einer Chemiefabrik arbeiten, könntest du
ihn vermutlich ebenso wenig von der Arbeit abholen, wie jetzt. Ansonsten
scheint alles in Ordnung zu sein. Ich habe gesehen, wie Tom dich anbetet.
Marie, er ist in dich verliebt. Mach es nicht kaputt, nur weil er die Arbeit
von seiner Freizeit trennt. Du hast es verdient, glücklich zu werden und ich
bin überzeugt davon, dass Tom gut für dich ist.« Ich nahm einen Schluck Wasser
und wartete ihre Reaktion ab. Nachdenklich tippte sie mit den Fingerkuppen auf
die Tischplatte. Das Klingeln meines Handys schreckte mich auf und ich suchte
in meiner Tasche nach meinem Mobiltelefon. Beim Blick auf das Display konnte
ich ein leises Stöhnen nicht unterdrücken. Der Anruf konnte nur eines bedeuten.
Fragend sah Marie mich an, doch für eine Antwort war es zu spät, ich hatte
bereits das Gespräch angenommen.
»Laura, hier. Was gibt es?«, fragte
ich leise.
»Laura, es tut mir leid, dass ich
dich stören muss, aber wir haben hier eine Situation, die ihr noch heute Abend
klären müsst«, drang Richards Stimme zu mir. Unwillig verzog ich das Gesicht.
»Das kommt ziemlich unpassend.«
»Wenn es dir ungelegen kommt, kann
ich Philemon auch ohne dich losschicken.« Dieser gerissene, alte Fuchs! Er
wusste genau, dass Phil nicht mehr alleine reisen würde.
»Ausgeschlossen. Wir haben eine
Abmachung! Ich bin in einer halben Stunde bei euch«, blaffte ich ihn durchs
Telefon an. Marie sah mich mit großen Augen an. Ich winkte dem Kellner und bat
ihn mir meine Rechnung zu bringen.
»Es tut mir leid, Marie. Ich muss
leider gehen, der Anruf ... Das war ziemlich dringend ...« ich stotterte und
suchte nach Worten. Wie konnte ich ihr erklären, dass ich ihr nichts erklären
konnte. Wieder klingelte mein Handy. Dieses Mal war es Phil.
»Ich weiß Bescheid«, sagte ich
anstelle einer Begrüßung. Ich hörte Phil durchs Telefon seufzen.
»Ich weiß, wie sehr du dich auf
dein Treffen mit Marie gefreut hast. Ich hätte auch kein Problem ausnahmsweise
ohne dich zu reisen«, antwortete er. Ich sah zu Marie, die meinem Gespräch
interessiert lauschte. Kein Wunder, dass Tom immer den Raum verließ. Ihre Ohren
schienen zu Rhabarberblättern geworden zu sein, so sehr bemühte sie sich, unser
Gespräch mitzubekommen. Ich stand auf und verließ das Lokal.
»Phil, wir haben uns darauf
geeinigt, dass du nicht mehr alleine reist. Die Gefahr ist zu groß! Ich bin in
einer halben Stunde im Büro und wir machen das zusammen.« Im Lokal war ich
davon ausgegangen, dass die schlechte Verbindung dem Restaurant geschuldet war,
doch das Rauschen in der Leitung ließ mich darauf rückschließen, dass Phil im
Auto saß und bereits auf dem Weg in die Zentrale war.
»Wenn du mit mir fährst, bist du in
20 Minuten da.« Lächelnd verdrehte ich die Augen. Es wunderte mich, dass er bei
seinem Fahrstil noch nie ein Knöllchen oder Punkte bekommen hatte. Er musste
mir unbedingt verraten, wie er das
machte.
»Gut, ich warte im Restaurant auf
dich. Bis gleich«, verabschiedete ich mich und ging zurück zu Marie. Sie
musterte mich stumm und wartete darauf, dass ich ihr erklärte, was das Ganze
sollte.
»Das war Phil. Wir müssen zu einer
Veranstaltung seines Onkels. Irgendwie hatten die beiden vergessen mir zu
sagen, dass ebenfalls auftauchen soll«, plapperte ich drauf los und hoffte,
dass Phil bald käme. Marie zog einen Flunsch.
»Toll, da habe ich nicht nur einen
Freund, der von jetzt auf gleich verschwindet, sondern auch noch eine Freundin,
die es ihm gleich tut. Ich könnte beinahe auf den Gedanken kommen, dass ihr unter
einer Decke steckt.« Wenn sie wüsste, wie sehr sie mit ihrem Satz ins Schwarze
getroffen hatte! Ich lachte künstlich auf und machte eine wegwerfende
Handbewegung.
»Marie!«, rief ich empört aus und
warf einen sehnsüchtigen Blick in Richtung Tür. Wie auf Kommando öffnete sie
sich und Phil trat ein.